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Foto: Ivonne Fangk
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Nicht immer zieht es die Mitglieder der Hochtourengruppe auf die Gipfel dieser Welt. Getreu dem Motto „Wir können auch anders“, führte uns unsere Abenteuerlust zu Beginn des Jahres ausnahmsweise sogar unter die Erde. Folgerichtig wird man die sonst übliche Angabe der absolvierten Höhenmeter in diesem Bericht vergeblich suchen.
Am 19. Februar 2023 erkundeten acht Mitglieder der Hochtourengruppe den Röhrigschacht in Wettelrode, nahe Sangerhausen im südöstlichen Harzvorland. Und wem das jetzt bekannt vorkommt: stimmt, das war nicht unsere erste sogenannte „Tieftour“. Wir haben den Röhrigschacht, ein Industriedenkmal des einst bedeutenden Mansfelder Kupferschieferbergbaus, bereits vor einigen Jahren besucht und über die faszinierende Expedition zur Marienglasschlotte berichtet (https://www.davbs.de/mtb/2017/2/bergbau/).
Diesmal stand die Expedition „Altbergbau-Spezial“, angekündigt als eine Kombination aus sportlichem Erlebnis, Abenteuer, Bergbau und Geologie auf unserem Programm.
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Foto: Ivonne Fangk
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Nach der kurvenreichen Anfahrt von Braunschweig quer durch den Harz, trafen wir etwas zu früh am Röhrigschacht ein und standen dort zunächst einmal vor verschlossenen Türen. Sicher unnötig zu erwähnen, dass wir uns am Sonntagmorgen auf einen frisch gebrühten Kaffee in der Bergmannsklause gefreut hatten.
Da kam es gerade recht, dass uns der Wirt des Gasthauses „Zum Struppel“ auf unserem kleinen Spaziergang durch Wettelrode direkt in die Arme lief. Zwar war das Gasthaus wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, jedoch brachte es Rainer nicht übers Herz, uns den Wunsch nach Kaffee zu verwehren.
Pünktlich zurück zur vereinbarten Uhrzeit am Schachtgelände, nahm uns Stefan, ein Mitarbeiter der Anlage, in Empfang. In der sogenannten Schwarzkaue wurden wir mit Grubenhelm, Geleucht und Wathose ausgestattet und begaben uns gemeinsam mit Silvio und Matthias, zwei erfahrenen Bergmännern, die uns während der Tour unter Tage begleiten sollten, auf den Förderkorb. Mit zehn Personen war die maximale Personenzahl erreicht. Pünktlich um 12:00 Uhr schlossen sich die Klappen, die Seilscheiben drehten sich und es ging im Schacht in das stillgelegte Bergwerk hinunter. Bereits in 163m Tiefe am Füllort des Segen-Gottes-Stollen endete unsere Seilfahrt. Vor hier aus ging es zu Fuß entlang des Kupferschieferflöz, den sogenannten Westlichen Wetterflachen hinunter zur 1. Sohle, wo sich das Besucherbergwerk des Röhrigschachtes befindet. In Originalstrecken aus den 1880er-Jahren wird hier die Abbauentwicklung von den Anfängen bis zur Neuzeit ausgestellt.
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Foto: Ivonne Fangk
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Es ist ein Glück, dass man hier noch hingelangt, denn im Februar 2022 hatte ein massiver Wassereinbruch das Schaubergwerk überflutet. Matthias war damals dabei, als das Wasser abgepumpt und das Absaufen des Bergwerks verhindert werden konnte. Auf seinem Handy zeigte er uns Fotos von den Wassermassen und davon, wie die Pumpenschläuche durch die Strecken verlegt wurden. Er berichtete auch davon, dass er damals sogar die Nächte unter Tage verbrachte, in der Hoffnung einen Beitrag leisten zu können, um das Bergwerk vor dem Volllaufen zu retten.
Für uns ging es derweil durch die bunt versinterten Strecken hinauf ins „Grüne Gewölbe“, einem ganz besonderen Highlight der Tour. Hier schimmert und glitzert es besonders intensiv und großflächig in den verschiedensten Grün-, Braun- und Türkistönen. Wir waren beeindruckt, was die Launen der Natur zustande bringen kann.
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Foto: Ivonne Fangk
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Was anschließend folgte, war nichts für schwache Nerven oder löchrige Wathosen. Zunächst ging es zurück zur 1. Sohle und von dort zum sogenannten „Anschächter Rücken“, einer Gebirgsverwerfung, die sich am Ende einer ca. 500m langen, mit Wasser gefüllten Abbaustrecke befindet und für uns nur mit dem Boot zu erreichen war. Erst seit 2019 ist es für Besucher möglich, mit extra angefertigten, besonders kippstabilen Kanadiern zu diesen Grubenräumen zu gelangen.
Dort angekommen, gönnten uns Silvio und Matthias eine kurze Verschnaufpause, bevor wir ausgestattet mit gepolsterten Knieschützern und Handschuhen auf allen Vieren durch die verborgenen Gänge der Anlage krochen. Sehr eindrucksvoll konnten wir so erfahren, mit welchen Anstrengungen die körperliche Arbeit der Bergleute einst verbunden war.
Wieder bei den Booten angekommen, ging es durchs Wasser zurück zum Ausgangspunkt und fußläufig durch den Querschlag bis zum untersten Füllort der Anlage in ca. 283m Tiefe.
Von dort brachte uns die Seilfahrt mit ein wenig Verspätung um 18 Uhr zurück an die Oberfläche, wo die Sonne bereits untergegangen und das letzte Tageslicht auch hier oben nur noch zu erahnen war. In der Schwarzkaue stellte dann der ein oder andere von uns fest, dass die Füße trotz Wathose nass geworden sind und freute sich über die vorsorglich eingepackten Ersatzstrümpfe.
Einigermaßen trocken und ein wenig erschöpft wurden wir zum Abschluss noch zu einer traditionellen Halbschicht eingeladen. Beim rustikalen Schmaus mit Fettbemme, Kaffee und Schachtschnaps gaben
Silvio und Matthias noch ein paar Anekdoten und Mansfelder, Trinksprüche zum Besten. So wie diesen hier: „Rostig wird die Grubenschiene, wenn der Hunt nicht drüberläuft. Frostig wird des Bergmanns Miene, wenn er nicht ab und zu mal einen säuft.“
Das ist übrigens kein Tippfehler, denn ein Hunt ist ein im Bergbau eingesetztes Fördergefäß. Wir bedanken uns bei Rainer, dem Wirt des Gasthauses „Zum Stuppel“, für seine Gastfreundschaft und dem gesamten Team des Röhrigschachtes für die atemberaubende Tour.
Unser ganz besonderer Dank geht an Silvio und Matthias. Die beiden haben uns unter Tage mit Stolz, Begeisterung und ihrem beeindruckenden Wissen begleitetet. Sie haben unsere vielen Fragen geduldig beantwortet und den Tag für uns zu einem außergewöhnlichen Erlebnis gemacht.
Leider heißt es zunächst einmal „Schicht im Schacht“. Wegen Sanierungsarbeiten bleibt der Röhrigschacht voraussichtlich bis August 2023 für Besucher geschlossen. Wir hoffen, dass dann wieder Touren unter Tage möglich sind. Und ein Besuch im Gasthaus „Zum Stuppel“, das voraussichtlich ab Anfang März 2023 wieder geöffnet ist, gehört dann unbedingt auch dazu.