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Eisklettern im Val Daone


Wie bereits im letzten Jahr hatten Bernd und ich uns auch in 2003 für eine Woche
Wasserfall-Eisklettern verabredet.

In der Nacht auf Montag den 3.2. fuhr ich von Bad Harzburg nach Mittenwald zu Bernd.
Nach dem Frühstück rollten wir Richtung Brenner zunächst ins Schmirntal und gingen dort auf Skitour auf die Uttenspitze. Gegen Mittag wieder am Auto, erfragten wir beim Innsbrucker Wetterdienst (telefonische Beratung) die Wetteraussichten der nächsten Tage. Man riet uns von den Westalpen wegen zu erwartender großer Neuschneemengen ab.

Deshalb begaben wir uns in das Fassatal um die dort gering eingeschätzten Schneefälle abzuwettern und dennoch einen Wasserfall zu klettern. In unserem italienischen Kletterführer fanden wir in der Cascata del Rio Pelous bei Campitello (III 5, 200 m, Zustieg im Wald 150 Hm ab Seilbahnparkplatz auf der südlichen Talseite) ein lohnendes Ziel.

In Fontanazzo di Sopra nahmen wir im örtlichen Gasthaus Quartier und starteten am Dienstag zu unserem Unternehmen. In der Nacht hatte es etwa 8 cm geschneit, der Zustieg auf hartgefrorenem fast schneefreiem Waldboden war unangenehm, der solide Wasserfall, - nur im unteren Teil etwas schneebedeckt und spröde -, entschädigte mit 5 schönen Seillängen Klettern und 4 Längen Abseilen (eingerichtet).

Am frühen Nachmittag waren wir wieder am Auto und bei Capuccino und Strudel in Canazei beschlossen wir, in das Val Daone ,südlich vom Adamello gelegen, zu fahren. Bernd hatte beim Studium unseres Eiskletterführers (Francesco Cappelari „Ghiaccio Verticale“,
ISBN 88-8043-065-3) herausgefunden, daß es sich hier um ein Eldorado handeln müsse. In dem erwähnten Kletterführer warb zudem das Gasthaus „La Paia“ (dort im Tal gelegen) um Besuch. Bernd kratzte seine Italienischkenntnisse zusammen und telefonierte mit dem Wirt. Die Eisverhältnisse seien bestens und man würde sich über unser Kommen sehr freuen (Halbpension kein Problem, Montag Ruhetag).

Wir fuhren also los, gewissermaßen auf eingefahrenen Gleisen, denn über Trient bis Sarche ist der Weg identisch mit dem nach Arco, dann nach Westen und über Tione und Daone ins gleichnamige Tal zum Weiler La Paia, den wir rechtzeitig zum Abendessen im Gasthaus erreichten.

Das Val Daone ist beliebte Sommerfrische im Einzugsbereich von Brescia. Westlich bzw. nordwestlich vom Ort Daone ist der Gebirgsfluß Chiese in zwei zur Elektrizitätsgewinnung dienenden Talsperren aufgestaut, die die klimatischen und geologischen Verhältnisse des Tals (Granit) mit auch im Winter stark laufenden Bächen der Seitentäler (Schluchten) ausnutzen. Das Haupttal ist V-förmig und verbreitert und verflacht sich im oberen Teil.

Der Gasthof „La Paia“ ist Anlaufpunkt von Einheimischen, ENEL-Mitarbeitern und natürlich Eiskletterern. Hier bekommt man die nötigen Auskünfte und es gibt ein Journal in das sich die im Tal tätigen Kletterer nach ihren Touren eintragen.

Angeboten werden im Haupttal viele Wasserfällen und Couloirs im Schwierigkeitsbereich II 3, einige III 5 bei Längen häufig um 200 m. Interessante und auch schwerere Routen bis hin zu Kerzen findet man in den Schluchten der Seitentäler. Die Abstiege sind je nach Gelände zu Fuß, mit Abseilerei neben oder über die Routen (eingerichtet) oder bei Ausstiegen auch über Forst- und Wanderwege zu machen.

Bis zum Ende des ersten Stausees (Lago di M.ga Boazzo, 1224 m) ist das Tal auf geräumter Fahrstraße befahrbar, hier haben die Routen kurze Zustiege. Oberhalb des Sees geht es auf verschneiter Straße zu Fuß oder mit Ski/Langlaufski weiter talein und zum zweiten Stausee (Lago di M.ga Bissina, 1780 m). In diesem Teil ist Skifahren auf den Hängen wegen zu geringer Schneeauflage nicht angeraten. Zustiege in die Seitentäler sind meist nur zu Fuß, streckenweise auch nur mit Steigeisen möglich (Schluchten vereist).

Die anhaltende Nordstaulage bescherte uns ideales trocken-kaltes und sonniges Winterwetter mit kaltem Nordwind. Während im Westen und nördlich des Alpenhauptkammes die Welt im Neuschnee versank und in den Orten die Straßen zu Einbahnstraßen mutierten, waren wir täglich unterwegs.

Mittwoch: „La Porta del Sole“ III 4, 200 m; „Machu Picchu“ II 3, 200 m.
Donnerstag: Val Remir, „Salmonata“ III 4, Abstieg über Forst-, Wanderweg nach La Paia
Freitag: „Excalibur“ II 3, 180 m; „Regina del Lago“ –ramo destro- II 5, 170 m
Samstag: Val Remir, „Profumo del Ghiaccio“ III 4, 160 m.

Bei unseren Unternehmungen begleitete uns gelegentlich ein origineller Spitz-Bastard, der in der Telefonzelle beim Haus nächtigte. Der Hund folgte uns im Val Remir jeweils bis zum ersten Standplatz, indem er seitlich über Bänder in die Routen hineinkletterte. Danach verschwand er, um erneut bei unserem Rückmarsch aufzutauchen und emsig sein Revier zu markieren. Wir haben ihm diesen Eifer mit Schokoriegeln honoriert. Autofahren schien er auch zu mögen. In einem unbedachten Moment bei einem morgentlichen Aufbruch sprang er in das Auto und war nur mit einem Schokoriegel herauszulocken.

Von Tag zu Tag erschienen immer mehr Eiskletterer im Tal. Routen unserer Wahl waren oft schon besetzt wenn wir eintrafen. Wir mussten dann umdisponieren. Am Samstag wurde unser Gasthof bereits in der Frühe von Eiskletterern „überflutet“. Wir beschlossen deshalb, das freundliche Tal zu verlassen und nach Hause zu fahren.

Rückfahrt über Tione, Sarche, Trient und Autobahn bei Sonnenschein, bei Sterzing dann erster Schneeschauer, Mittenwald tief verschneit und starker Schneefall.

Ich verabschiedete mich von Bernd und bin dann in der Nacht auf Sonntag den 9.2. nach Bad Harzburg zurückgefahren, wo ich gegen 1 Uhr morgens wohlbehalten ankam.

Burghard Angerstein, c/o Klettergruppe Braunschweig

Deutscher Alpenverein Sektion Braunschweig e.V.,
19. November 2000